Reisen unter viralem Einfluss

Nach dem Erholungstag mit Pool und gutem Essen im Hotel Bab Rimal ging es weiter nach TaTa. Dort erhielten wir weitere Informationen zu den Folgen des Corona-Virus. 
Der Fährverkehr zwischen Spanien und Marokko ist völlig eingestellt. Die marokkanische Bevölkerung verhält sich ähnlich irrational wie die deutsche: In Supermärkten in den großen Städten sollen die Regale leer gekauft worden sein. Wartezeiten an den Kassen über eine Stunde. 
Davon ist hier in Tata nichts zu bemerken, allerdings ist die Ungewissheit, wann die Grenzen wieder geöffnet werden, belastend. Wir müssen zwar nicht zur Arbeit und können uns Zeit lassen, allerdings reichen Evas Tabletten höchstens sechs Wochen.
Den ersten Impuls, sofort in Richtung Fähre aufzubrechen, haben wir nach einigem Nachdenken verworfen. Dort werden im Zweifel dann an einem wenig einladenden Ort ohne Infrastruktur hunderte oder mehr Fahrzeuge auf Überfahrt warten. Da behält man doch lieber die Ruhe und wartet ab. Ggf. kann man für Eva noch einen Flug ab Agadir buchen, falls die Tablettenlage schwierig wird, ich selbst komme irgendwie auch allein nach Hause. . Aber hier gibt es auch Ärzte und Apotheken. 
Wir werden also einen weiteren Tag in Tata verweilen und morgen in die Berge fahren und von dort Richtung Agadir. 
Der augenblickliche Plan ist, dort genügend einzukaufen - auch Wein -, um dann am Atlantik an einem schönen Ort abzuwarten.

Aber das alles kann uns die schöne Ansicht von unserm gegenwärtigen Platz nicht verderben.




















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Nach zwei Tagen in Tata sind wir in Richtung Agadir aufgebrochen, wobei wir den Antiatlas quer durchfahren haben.
Zwei wunderbare Pässe von 1700 und 1800 Meter, einspurig, aber geteert. Die kahlen Berge sehen hier aus wie Marmorkuchen, man kann die unterschiedlichen Gesteinsschichten sehen, die wie durchgerührt wirken. 
Ein Zwischenstopp in den Bergen in Tafraoute, ca. 1000m hoch gelegen, in einer alpinen Landschaft. Viele Leute hatten uns geraten, sich diesen Ort einmal  anzusehen. Das scheinen auch sehr viele zu machen, die Stadt war voll von Touristen, die ja im Moment alle hier gestrandet sich. Der Ort liegt in einer Gegend mit richtigen Bergen aus Basalt. Überall liegen unmotiviert riesige runde Felskugeln herum. 

Wir sind ein wenig aus der Stadt herausgefahren und haben in einem Hotel geparkt. Schön ruhig, allerdings mit fortgesetzt lebensgefährlicher Elektroinstallation. Auf dem Schutzleiter der von mir gewählten Steckdose lag nicht Null, sondern gleich 400V - ich hab es nachgemessen -  sodass der ganze Wagen gegen Erde unter Spannung lag. Zum Glück war das bei trockenem Boden nicht ganz so schlimm, aber als es abends ein paar Tropfen geregnet hat, habe ich voll einen gewischt gekriegt. Die Wahl einer anderen Steckdose hat Abhilfe geschaffen. Die Meldung beim Manager der Anlage führte zu der bemerkenswerten Erklärung, dass die Marokkaner von Elektrizität nicht so viel Ahnung hätten. Kann ich bestätigen!

Aber man überlebt ja manches. Am kommenden Tag sind wir dann die 150 km nach Agadir gefahren, haben für etwa eine Woche eingekauft, auch Wein und kamen erst am Abend in Sisi Wassey an, wo wir einen Platz am Meer gefunden haben.
Auch hier jede Menge Gestrandeter, die alle ohne Informationen warten, was passiert und wann man wieder mit der Fähre fahren kann. Aber das weiß niemand.

Die Foto von den letzten Tagen muss ich nachliefern, da hier das Internet zu schwach ist.







Eine Traumgegend für Geologen























Tafraoute war voller Touristen, die von der Grenzschließung überrascht wurden














Statik wird überbewertet





Hier kann man sich auf drohenden Besuch schon Stunden vorher  vorbereiten








Schutzburg oder Lebensmittelspeicher



Nur bei der Ankunft war es so voll. Viele haben ihr Glück im Norden versucht





Gerade erfahre Ich, dass auch hier Reiseverbote ausgesprochen worden sind. Wir werden also etwas länger als geplant hier am Meer bleiben. Ruhe bewahren, ausruhen!





Das Corona-Virus ist natürlich auch hier auf dem Platz das beherrschende Thema, wobei die größte Schwierigkeit darin besteht, verlässliche Informationen zu bekommen. Oder besser: Was heute als amtliche Verlautbarung verbreitet wird, scheint am Folgetag nicht mehr zu stimmen. So hieß es am Tag unserer Ankunft, dass man vorerst den Platz nicht mehr verlassen dürfe, die Polizei habe die Straßen dicht gemacht. Am nächsten Morgen fuhren dann reihenweise die Leute los und kamen auch offensichtlich in Richtung Norden voran. Jetzt ist es hier angenehm leer. 
Das Nadelöhr ist die Fährverbindung. Die Fähren von Tanger Stadt nach Tarifa ruhen, ebenso alle Fähren von Tanger Med nach Algeciras, Barcelona oder Genua. Der einzige Ausweg ist über die spanische Enklave Ceuta nach Algeciras. Dort besteht allerdings die Schwierigkeit darin, über die Grenze zu kommen, die immer wieder geschlossen wird. Ceuta muss inzwischen so voller Wohnmobile sein, dass man einfach nicht mehr reinlassen will.
Heute ist laut facebook um sieben Uhr morgens eine einzige Fähre gefahren, allerdings wurde der Verkehr später wegen Sturmes eingestellt.
Heute hätte auch eine Möglichkeit bestanden, ab Agadir mit einem von der Bundesregierung gecharterten Flugzeuge weg zu kommen und das Auto vorerst hier abzustellen. Wir haben den Gedanken aber sofort verworfen, denn weder Eva noch der Hund wollen fliegen und ich glaube sowieso, dass wir hier besser stehen als zu Hause. Außerdem ist die Fahrt durch Spanien und Frankreich nicht ohne Schwierigkeiten, denn es gibt weder offene Restaurants noch Campingplätze und man muss mehr oder weniger in einem Rutsch fahren. 
Ernüchternd der Versuch, von der deutschen Botschaft Informationen zu bekommen. Der Server war so überlastet, dass allein die Anmeldung dort über eine Stunde gedauert hat. Ein höchst bürokratischer Vorgang mit einem nicht sehr benutzerfreundlichen Programm, das ständig aussetzte. Aber immerhin, wenn wir nicht mehr nach Hause kommen, dann weiß die Botschaft jetzt, wo unser Reisepass ausgestellt wurde und wie lange er noch gültig ist. Das wird sicher helfen.
Aber ehrlich gesagt habe ich mir von denen auch keine organisierte Hilfe erwartet. Wir bleiben hier, mindestens solange der Wein reicht und sehen dann mal weiter, ob wir abstinent lebe wollen oder uns fort bewegen.














Es gibt eine Bäckerei

Es hat schon was von Weltende - die Häuser sind fast alle leer




Samstag, 21.3. Wir hören natürlich regelmäßig die deutschen Nachrichtensendungen. Wir sind zwar am Rande der Astra-Ausleuchtzone, aber bisher waren fast alle deutschen Fernsehsender zu empfangen, sofern sie nicht in HD senden, dazu ist das Signal zu schwach. Außer Corona gibt es kaum noch andere Meldungen. Da bleiben wir doch lieber hier. Zwar gibt es auch hier eine Ausgangssperre, aber man kann alles einkaufen - marokkanischer Standard versteht sich. D.h., Gemüse, Kartoffeln, Nudeln und alle Grundnahrungsmittel sind kein Problem, Fleisch ist schon schwieriger, Alkohol ist im Moment nicht erreichbar. 
Wir waren heute im benachbarten Städtchen zum Einkaufen. 
Konnten mit etwas Mühe alle notwendigen Medikamente erstehen und auch eine neue Telefonkarte der Maroc-Telecom, da Orange hier nicht funzt. Jetzt, wo ich Internet im Wagen habe und nicht immer zur Rezeption laufen muss, halte ich das lange aus. Ich gehe angesichts der Meldungen aus Spanien, Frankreich und Deutschland davon aus, dass das noch vier Wochen dauern kann - mal sehen. Die Leute hier auf dem Platz sind alle ohne Panik und warten tiefenentspannt und geduldig ab, wie auch wir.







Sonntag, 22.3. ca. 9.30 Uhr, 20, Grad, wolkenloser Himmel, Ebbe

Am Abend haben wir im Anschluss an die üblichen Talk-Sendungen über die Möglichkeiten der Ausreise und Durchfahrt durch Spanien und Marokko diskutiert. Wir waren uns in einem einig, dass man zunächst gesicherte Informationen benötigt. Die waren dann auch auf der Seite der deutschen Botschaft zu finden:        

 !!! AUSGANGSSPERRE UND REISEVERBOT !!!
- 22.03. 15:30 –
  • Die marokkanischen Behörden haben die Notstandsmaßnahmen nochmals verschärft. Seit heute 22.03. 00:00 Uhr gilt ein allgemeines Reiseverbot zwischen Städten.
  • Busse und Bahnen haben ihren Betrieb weitestgehend eingestellt. Der gesamte Flugverkehr (auch Inlandsflüge) ist ebenfalls eingestellt. Für Autobahnfahrten wird eine Genehmigung benötigt.
  • Die Regelungen gelten für alle Menschen, die sich in Marokko aufhalten. Ausnahmen für Ausländer bestehen nicht. Folgen Sie bitte in jedem Fall den Anweisungen der lokalen Behörden. Vermeiden Sie Menschenansammlungen und verhalten Sie sich ruhig.

Gut, wir bleiben ruhig. Und sicher noch eine Zeit hier.

Am Abend haben einheimische Frauen und Wohnmobilistinnen damit begonnen, in Handarbeit Schutzmasken zu nähen. 









Wahrscheinlich helfen die Schutzmasken nicht, schaden aber auch nicht. Zumindest bei Sandsturm sind sie sicher von Nutzen. Und für Eva entspricht es der hier üblichen Kleiderordnung.



Wir tragen die nicht wirklich, man trifft hier doch kaum Menschen


Montag, den 23.3. Es sieht so aus, dass wir bis zum 22. oder 23 April hier fest sitzen. Über facebook erreichen uns Nachrichten, die die Meldungen der deutschen Botschaft bestätigen. Es sind einige tausend Wohnmobilisten aus Zentraleuropa im Land. Die einzige offenen Grenze nach Ceuta wurde jetzt durch die spanischen Behörden gesperrt. Das ist zwar gegen europäisches Recht und widerspricht auch den aktuellen Absprachen, aber ich sehe da wenig Hoffnung, zumal die Situation in Spanien dramatisch ist. Uns geht es hier wahrscheinlich besser als unseren Freunden zu Hause und denjenigen, die jetzt in langen Schlangen vor einer geschlossenen Grenze stehen. Die Leute, die hier versammelt sich, tauschen über die Grenzen der Nationalitäten ihre Informationen und helfen sich gegenseitig. Soeben kam ein Franzose, der für Mittwoch eine Sammelbestellung Hähnchen organisiert. Angler bieten ihren Fisch an und wir können in der nächsten "Stadt" einkaufen. Also kein Grund zur Sorge, dass wir verhungern. Gegen die Langeweile gibt es Fernsehen, Internet und mehrmals täglich der Gang zum Meer. Am Abend gegen 19.00 Uhr zog von Norden her ein Unwetter heran, ein Frontgewitter mit heftigem Donner und Blitz, es hat sogar ein paar Tropfen geregnet, zum ersten Mal seit langer Zeit. Die im Meer untergehende Sonne tauchte alles in ein gespenstisches Licht































Dienstag, der 23. März, um 8:30 Uhr 18 Grad und sonnig 
Das Unwetter gestern Abend hat frische Luft und heftigen Wind mitgebracht, aber Himmel ist schon wieder blau. Das Meer ist noch ein wenig aufgewühlt und macht mehr Krach als sonst, aber daran haben wir uns lange gewöhnt. Man kann sogar hervorragend dabei schlafen.





Die deutsche Botschaft hat ihren Betrieb wohl eingestellt. Seit zwei Tagen keine neue Meldung mehr und auch keine Antwort auf unsere Anfrage. Über facebook bekommt man Nachrichten, dass die Situation vor der Grenze in Ceuta zu eskalieren droht. Die Hunderte von vor dem Schlagbaum wartenden Wohnmobile weigern sich, auf einen zur Verfügung gestellten Parkplatz zu fahren und bestehen auf der Einhaltung europäischen Rechts, dass die Einreise nach Spanien zum Zwecke der Heimfahrt erlaubt.


Was die Lebensmittelversorgung angeht, hier unten ist wirklich ursprüngliches Marokko, also kein Supermarkt und keine Selbstbedienung. Das Angebot an Lebensmitteln ist nicht üppig, aber ausreichend. In 15 km Entfernung gibt es eine Städtchen mit Markt, da darf man hin zum Einkaufen. Gemüse, Trinkwasser, Spülmittel, Öl, Eier und Marmelade und Flaschengas gibt es auf dem Platz. Heute gibt es bei uns frischen Fisch - Dorade ?- von einem Angler.


Versorgung gesichert



Im Angebot, nicht zu vergessen, auch Ölsardinen und jeden Morgen frisches Brot. Mehr gibt es für die Einheimischen auch nicht zu kaufen.



Mittwoch 25. März 8.15 Uhr, wolkenlos und sonnig

Habe bei der morgendlichen Suche nach Neuigkeiten eine Meldung der deutschen Botschaft gefunden.
                                                   
Ambassade d'Allemagne Rabat


PARKPLATZ VON TANGER MED FÜR CAMPER GEÖFFNET
- Dort gibt es sanitäre Einrichtungen und die Versorgung ist gewährleistet.
- Wir raten allen Campern, die sich derzeit um Ceuta aufhalten, dringend dieses Angebot zu prüfen.
- Wir arbeiten weiter an einer europäischen Lösung für die Ausreise der gestrandeten Camper.
- Den Anordnungen der marokkanischen Sicherheitskräfte ist in jedem Falle Folge zu leisten.


Ob das für hunderte von in der Schlange Wartenden wirklich ein Vorteil ist, wage ich zu bezweifeln, insbesondere was die Ver- und Entsorgung angeht. Es ist zwar ein riesiges Areal innerhalb des Zollgebietes, aber ohne Läden und mit einer einzigen Toilette. Aber vielleicht erzwingen die zu erwartenden hygienischen Zustände bald eine Lösung und man schickt eine Fähre.  

Donnerstag. 26. März, Wetter bombig, mit 25 Grad am Nachmittag noch gut zu ertragen, morgens und nachts sogar recht kühl. Wenn nicht der Kalender auf dem Rechner einen erinnerte, man wüsste nicht, welcher Tag ist. Hier verläuft jeder Tag wie der andere. Es hat sich ein gewisser geregelter Tagesablauf eingependelt. Bei Sonnenaufgang kurz nach acht Uhr aufstehen, Hund raus nötigen, Brot holen und Frühstück vorbereiten. Danach aufräumen und im Netz nach neuen Nachrichten suchen. Es tut sich aber nichts, auch zu Hause ist der Politikbetrieb in der Gemeinde wohl zum Erliegen gekommen.
Nach einem Mittagsschlaf, während Eva die unsägliche Sendung "Küchenschlacht" ansieht, gehts erneut auf ein wenig Wassertreten an den Strand. Nachmittags ist Flut. Den anderen geht es nicht viel anders. Manche reinigen zum wiederholten Mal ihr Auto vom Salz, andere sammeln Muscheln für Spaghetti Vongole oder spielen stundenlang Boule. 


Muscheln sammeln





Der Höhepunkt ist das Abendessen, gestern hatten wir Hühnchen, von dem auch heute noch was übrig ist. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an die Umstände gewöhnt. Der Wechsel von Ebbe und Flut, der andauernde Krach, den das Meer macht, spektakuläre Sonnenuntergänge, man gewöhnt sich dran und stumpft ab. 
Objektiv gesehen geht es uns hier gut, die Versorgung ist bisher gesichert, das Wetter angenehm und der Strand wunderschön. Wir haben ihn inzwischen von allem Plastikmüll befreit, aus lauter Langeweile. Es schon fast sauber wie geleckt. Ein Glück, dass wir über Satellit das deutsch Fernsehen haben, obwohl die Meldungen in Summe keine Freude aufkommen lassen. Ich hab vor Tagen ein kleines Excel-Programm zur Berechnung der Corona-Fallzahlen und der Steigerungsraten gemacht. Wenn die sog. Ausgangssperre nicht hilft oder nicht eingehalten wird, dann könnte es bald keinen Grund mehr geben, nach Hause zu wollen. Man kann nur hoffen.


Auch wenn demnächst wenig Spektakuläres zu berichten sein wird, werde ich, damit es hier nicht zu lange wird und irgendwann die Formatierung verstirbt, ein neues Kapitel beginnen -  Inschallah / Et kütt wie et kütt












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